Die englische Regierung lügt, die deutschen Medien betreiben weiter kriegsvorbereitende Hetze gegen Russland, und mit dabei ist wie immer der quasi-staatliche Propagandasender Deutschlandfunk

Strukturformel von Nowitschok aus einer Publikation von 2008 (2. Auflage, ISBN 978-1-420-00329-1)

Der russische Staat sei schuld an der kürzlich versuchten Ermordung eines russischen Ex-Agenten in England, behauptet die britische Premierministerin: „there is no alternative conclusion other than that the Russian State was culpable for the attempted murder of Mr Skripal and his daughter“.

Fassen wir die Fakten zusammen:

Ein russischer Ex-Agent wurde in England vermutlich vergiftet, nach Angaben der englischen Regierung mit der chemischen Waffe Nowitschok (engl. Novichok), die in der früheren Sowjetunion seit den 1970er Jahren im Geheimen entwickelt wurde.

Die Demontage der wohl zentralen Produktionsstätte in Nukus (Usbekistan) durch das US-Militär wurde 2002 abgeschlossen („DOD completed a project to dismantle the former Soviet CW research facility at Nukus, Uzbekistan in FY 2002“), und schon rasch sind die Strukturformeln z. B. einer Publikation von 2008 (Handbook of Chemical and Biological Warfare Agents, 2. Auflage, ISBN 978-1-420-00329-1) zu entnehmen, aktuell sogar online (S. 37–42, Stoffe C01-A035 bis C01-A045) (s. auch Quellen 28–31 seit 2007/2008).

Mit anderen Worten: Wahrscheinlich hat das US-Militär seit spätestens 2002 Proben dieses Nervengifts, und seit 2007/2008 ist die Strukturformel öffentlich bekannt, sodass alle Staaten mit entsprechenden Möglichkeiten (z. B. USA, England, Israel) seitdem dieses Nervengift herstellen können, sei es auch nur, um Gegenmittel zu erproben oder Testverfahren zu entwickeln.

Mehr noch:

Aus einer kürzlichen Veröffentlichung (2016) des Leiters von Großbritanniens einziger Anlage für chemische Waffen geht hervor, dass England nie über sowjetische bzw. russische Proben verfügte, also nicht durch „Fingerabdrücke“ (Verunreinigungen) auf eine Herkunft in Russland schließen kann.

England verfügt also überhaupt nicht über die Möglichkeit, Russland als Herkunftsort nachzuweisen.

Nun gibt es zwei Möglichkeiten, mit der Sache umzugehen: Entweder behandelt man die Sache als normalen Kriminalfall (also eine innerstaatliche Angelegenheit), oder aber als internationale, nämlich als Chemiewaffeneinsatz eines anderen Staates. Die englische Regierung hat sich für Letzteres entschieden und beschuldigt Russland – legt aber keine Beweise vor, sondern verweigert die Aushändigung einer Probe und ruft auch nicht die zuständige Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) an, obwohl, so Jens Berger, „Großbritannien […] einen bindenden Vertrag mit der OPCW [hat], dies zu tun“.

Anstatt also an einer Aufklärung mitzuwirken, blockiert die britische Regierung diese und verbreitet wider besseres Wissen, Russland sei zwangsläufig der Schuldige. Die zuständige Organisation OPCW wird übergangen und der UN-Sicherheitsrat für kriegsvorbereitende Propaganda gegen Russland missbraucht. In ihrer Rede verweist die britische Premierministerin auf Russland als Entwicklungsort („a military grade nerve agent developed by Russia“, wobei es eigentlich die Sowjetunion war) und lenkt damit die öffentliche Aufmerksamkeit auf Russland als möglichen Schuldigen – nach dieser Logik wäre Deutschland für das in Syrien eingesetzte Sarin verantwortlich (das in Deutschland entwickelt wurde).

Was machen nun die deutschen Medien? Sie verbreiten wie üblich kriegsvorbereitende Hetze gegen Russland und lassen wesentliche Fakten weg.

Etwa dass Christopher Steele in die Sache verwickelt ist – genau der britische Ex-Geheimagent Christopher Steele, der im (bezahlten) Auftrag für die US-Demokraten (über den Umweg über eine Anwaltsfirma) das diffamierende „Dossier“ gegen Trump über angebliche Russland-Kontakte verfasst hat und in dem vom US-Präsidenten freigegebenen Memo namentlich erwähnt wird. Treffend hat es Jens Berger zusammengefasst (meine Hervorhebungen):

Als Sergej Skripal 1995 als Oberst des russischen Militärgeheimdiensts vom britischen Auslandsgeheimdienst MI6 „umgedreht“ wurde, war dies wohl das Werk des britischen Agenten Pablo Miller, der fortan als „Führungsoffizier“ von Skripal tätig wurde. Koordiniert wurde die Arbeit offenbar durch Christopher Steele, einem MI6-Agenten, der in Moskau tätig war. Steele ist kein Unbekannter. Zwischen 2006 und 2009 war er der Abteilungsleiter „Russland“ im MI6. Er war es auch, der damals im Mordfall Litwinenko die Ermittlungen leitete und – entgegen der Indizienlage – Russland als Hauptverdächtigen ausmachte.

2009 verließ Steele den MI6 und gründete seine eigene private „Sicherheitsfirma“ mit dem Namen „Orbis Business Intelligence“. Das Haupttätigkeitsfeld von Orbis war (und ist) es, Vorwürfe gegen Russland zu fabrizieren. Orbis war es, die von einem „privaten Kunden“ den Auftrag erhielt, im Rahmen des sogenannten „Project Charlemagne“ (Projekt Karl der Große) den angeblichen Eingriff Russlands in den Wahlkampf von Frankreich, Italien, Großbritannien und Deutschland zu „belegen“. Falschmeldungen über russische Troll-Armeen, die russische Finanzierung von Le Pen, Berlusconi und der AfD und angebliche Pläne Moskaus, die EU zu zerstören, stammen allesamt von Orbis und wurden von Medien und Politik willfährig weitergegeben.

Aber nicht nur das. Orbis war es auch, die für die US-Demokraten im Wahlkampf das umstrittene „Trump-Dossier“ erstellten, die „Mutter“ aller Verschwörungstheorien, nach der Putin zugunsten Trumps in den US-Wahlkampf eingegriffen haben soll. Christopher Steele ist kein kleiner Fisch, sondern der große Karpfen im Teich der westlichen Anti-Putin-Propaganda. Das Auftauchen seines Namens im Umfeld des Mordversuches von Salisbury sollte eigentlich sämtliche Alarmglocken klingeln lassen. Vor allem dann, wenn man weiß, dass auch Skripals ehemaliger MI-6-Führungsoffizier Pablo Miller Angestellter von OBE (Orbis Business Intelligence) ist und laut eines vor wenigen Tagen gelöschten Profils bei Linkedin das OBE-Büro in der Kleinstadt Salisbury geleitet und Skripal Presseberichten zufolge ziemlich häufig getroffen hat.

Der Deutschlandfunk als Wiederholungstäter:

Durch Propaganda fällt mal wieder der Deutschlandfunk als üblicher Verdächtiger auf.

In dem Interview mit einem Toxikologen wird durch die Überschrift suggeriert, dass dessen Expertise auf Russland als Schuldigen deute. Erst bei der sorgfältigen Lektüre wird deutlich, dass er als Fachexperte genau das Gegenteil sagt: „Die Substanz selber sagt Ihnen zunächst mal nur, was sie ist, und dazu bräuchte man dann noch ein bisschen Forensik […].“ Bei den übrigen Wertungen („die anderen Umstände“) handelt es sich um politische Wertungen, bei denen er sich als Fachexperte eigentlich zurückhalten müsste und selbst nicht merkt, wie er sich mit solchen Spekulationen instrumentalisieren lässt.

Noch dreister und aggressiver agiert der Deutschlandfunk in einem anderen Beitrag mit dem Titel „Westen muss mehr Druck machen“: „Der Kreml hat es sich also selbst zuzuschreiben, wenn der Westen offizielle Stellen in Moskau der Täter- oder Mittäterschaft bezichtigt, kommentiert Andreas Meyer-Feist. Die Art und Weise, wie Moskau mit dem Fall Skripal umgehe, sei skandalös. Der Westen sollte darauf reagieren – nicht nur mit Sanktionen.“

Obwohl die westlichen Medien seit geraumer Zeit mit haltlosen Anschuldigungen – man denke an die lächerlichen Vorwürfe einer Wahleinmischung via Facebook, obwohl dort jeder Mausklick aufgezeichnet wird und nachweisbar ist – kriegsvorbereitende Propaganda gegen Russland verbreiten, soll jetzt auch noch Russland schuld sein, wenn es nicht sofort über jedes Stöckchen springt. Die Unschuldsvermutung lässt die sogenannte westliche Wertegemeinschaft ohne zu zögern fallen, wenn sie nicht mehr ins Konzept bzw. die jeweilige Interessenlage passt.

Das Verfahren ist durch die OPCW genau festgelegt, und Russland hat sogar darüber hinaus angeboten, bei Vorlage einer Probe – eine berechtigte Bedingung, um sich nicht für eine Propagandastrategie instrumentalisieren zu lassen – zusammenzuarbeiten.

Auch beim „Faktenfinder“ der „Tagesschau“ fällt ein alter Bekannter auf: Patrick Gensing hatte schon gegen die NachDenkSeiten manipuliert. Und wieder verwendet er die klassischen Manipulationsmethoden, vor allem den Denunziationsbegriff „Verschwörungstheorie“. Obwohl dieser Begriff in dem aufgeführten Zitat nicht auftaucht, wird eine solche Zwischenüberschrift platziert und damit der zitierten Person untergejubelt: „ ‚Verschwörung gegen Russland‘ “. Und natürlich wird Russland eine Strategie unterstellt, nicht etwa den westlichen NATO-Staaten: „Die Reaktionen Russlands in der Skripal-Affäre erinnern an Strategien, die schon früher zu beobachten waren.“ Als Belege führt er fast ausnahmslos nur Anschuldigungen an, die nicht nur unbewiesen sind, sondern auch teilweise unglaubwürdig – und trotzdem immer wieder von den westlichen Medien pausenlos wiederholt werden.

Die FAQ der Tagesschau hat Jens Berger bereits kritisch auseinandergenommen. Bleibt noch anzumerken, dass auch hier die Tagesschau eine bekannte Verschleierungstaktik anwendet, indem sie beide Seiten als mitverantwortlich für den andauernden Konflikt hinstellt und damit die westliche Aggression leugnet („Derzeit haben beide Seiten auf stur geschaltet.“). Tatsächlich aber verhindert Großbritannien die Aufklärung, indem es das vorgesehene Verfahren nicht einleitet und noch dazu eine Probe verweigert, und stattdessen wider besseres Wissen behauptet, Russland sei der einzig mögliche Schuldige.

Spannend wäre die Frage, warum ausgerechnet Russland einen chemischen Kampfstoff verwenden sollte, der – jedenfalls in der weltweiten öffentlichen medialen Wahrnehmung – eine unübersehbare Spur nach Russland legt. Wenn der britische Geheimdienst MI6 in der Lage ist, Menschen ohne Beweisspuren umzubringen (David Kelly hatte die Lüge der britischen Regierung über angebliche Massenvernichtungswaffen im Irak aufgedeckt und kam „dann unter seltsamen Umständen ums Leben“), dann ist es auch der russische Geheimdienst. Weshalb sollte also der russische Geheimdienst eine unübersehbare Spur nach Russland legen wollen?

Der russische Präsident wird ohnehin wiedergewählt und hat wenig Interesse, der westlichen Aggression weitere Vorwände zu liefern oder den Öffentlichkeitsvorteil der anstehenden Fußballweltmeisterschaft in Russland zu riskieren.

Interesse an einer Schuldzuweisung an Russland hätten viele: Die USA mit ihren geostrategischen Interessen, Englands Regierung an Ablenkung von den innenpolitischen Problemen und wegen ihrer Interessen im Nahen Osten, und Israel wegen Russlands Einfluss im Nahen Osten.

Über all das liest man in den westlichen Medien freilich nichts.

Was jedenfalls sicher ist: Die englische Regierung kann eine russische Verantwortung nicht nachweisen und weiß dies auch. Die englische Regierung lügt. Der britische Ex-Botschafter Craig Murray nennt zurecht „die ‚Nowitschok-Story‘ eine Neuauflage des Schwindels über irakische Massenvernichtungswaffen“.

Über 

I am Marlene Hilsenrath, widow of the Jewish German-language writer Edgar Hilsenrath (known for The Nazi and The Barber, but also for Night and The Story of the Last Thought).

Ich bin Marlene Hilsenrath, die Witwe des deutsch-jüdischen Schriftstellers Edgar Hilsenrath (bekannt für Der Nazi & der Friseur, außerdem für Nacht und Das Märchen vom letzten Gedanken).

Homepage: marlene.hilsenrath.de